Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Neue Kulisse, verwobene Szenen und starke Frauen

Mehr als 500 Freiwillige bereiten sich auf die Passionsspiele in Sömmersdorf vor – Zwei Klagen gefährden die Vorstellungen

Sömmersdorf (POW) Kleiner Ort, großes Spektakel: Ab Sonntag, 23. Juni, laufen wieder die Passionsspiele in Sömmersdorf (Landkreis Schweinfurt). Die Vorbereitungen laufen bereits seit einem Jahr, seit November wird regelmäßig geprobt. Für heuer sind 18 Aufführungen geplant. Im Jahr 2018 kamen rund 34.000 Menschen zu den Passionsspielen. Die Tradition geht auf das Jahr 1933 zurück. Der örtliche Männergesangverein brachte die Leidensgeschichte Jesu erstmals auf die Bühne, Volksschullehrer Guido Halbig schrieb den ersten Text. Nach der zweiten Auflage 1934 wurden die Passionsspiele verboten. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging es erst im Jahr 1957 weiter. Im Jahr 2020 wurden die Sömmersdorfer Passionsspiele ins bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

Das Spiel auf der Freilichtbühne findet eigentlich alle fünf Jahre statt, immer in Jahren mit einer Drei und einer Acht am Ende. „Die Coronapandemie hat einiges durcheinandergebracht“, berichtet Norbert Mergenthal, einer von drei Vorsitzenden des Passionsspielvereins: Ein für 2021 geplantes Zwischenspiel sei auf 2022 verschoben worden. Um die Laienschauspieler nicht zu sehr zu belasten, gibt es die Passionsspiele nach 2018 erst heuer wieder. Die nächsten seien für 2029 geplant, aber zum 100-jährigen Bestehen 2033 hofft Mergenthal dann wieder auf die Rückkehr zum alten Rhythmus.

Seit einem Jahr überarbeiten die beiden Regisseure Silvia Kirchhof aus Gerolzhofen und Kai Christian Moritz aus Würzburg das Textbuch. Für beide sind es die ersten Passionsspiele in Sömmersdorf. „Es wird viel mehr Dialoge geben, außerdem haben wir die Szenen miteinander verwoben“, nennt Kirchhof als Beispiele für Veränderungen: Während auf der einen Seite der Bühne Schauspieler abgehen, werden auf der anderen Seite Akteure der nächsten Szene erscheinen.

„Wir haben auch die Rolle der Frauen gestärkt“, sagt die Regisseurin, die selbst in einem protestantischen Haushalt aufwuchs. Mit ihrem katholischen Kollegen Kai Christian Moritz habe sie darauf geachtet, dass die Texte nah an den Bibelstellen bleiben. Zur Gestaltung der Kulisse reisten die beiden Regisseure sogar nach Jerusalem. Ein Ziel des Regieduos: Die Aufführung soll kürzer als drei Stunden dauern. „Länger bedeutet nicht unbedingt besser“, betont Moritz. „So haben die Zuschauerinnen und Zuschauer die Passion noch nie gesehen“, freut sich Norbert Mergenthal über das neue Konzept. Das mache die Passionsspiele auch für alle interessant, die sie bereits vor sechs Jahren gesehen haben. Trotzdem sei die Tradition erhalten geblieben.

Bereits im vergangenen Sommer teilten die Verantwortlichen Fragebögen im Dorf aus. Mehr als 750 kamen zurück. Ergebnis: 399 aktuelle oder ehemalige Einwohner von Sömmersdorf spielen in kleineren und größeren Rollen mit. „Der jüngste Mitspieler ist noch nicht einmal geboren“, sagt Mergenthal: Beim Einzug in Jerusalem werde vermutlich ein Säugling mit auf der Bühne sein. Die älteste Mitspielerin sei 85 Jahre alt.

Die wichtigsten Rollen wurden im November doppelt besetzt. Seitdem wird in der Halle an der Freilichtbühne geprobt. Tobias Garbe (32) spielt heuer zum ersten Mal den Jesus. In anderen Rollen stand er schon mehrfach auf der Bühne, deshalb habe er auf dem Fragebogen einfach mal die Hauptrolle für sich reklamiert. Das Casting im Herbst war erfolgreich. Zweiter Jesus ist der 45-jährige Tobias Selzam, der in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in diese Rolle schlüpft. Er steht nach aktueller Planung auch bei der Premiere am 23. Juni auf der Bühne. Danach wird abgewechselt. Mergenthal hat den Zeitaufwand für die Helfer mal überschlagen: Insgesamt kommen die 399 Schauspieler auf rund 44.000 Probestunden und 36.000 Stunden für die 18 Aufführungen. Die weit mehr als 100 Helfer hinter den Kulissen leisten weitere 20.000 Stunden, um die Bühne vorzubereiten, während der Aufführungen umzubauen oder für die Bewirtung zu sorgen.

Das Motto des Passionsspielvereins lautet „Eine Geschichte – ein Dorf – eine Leidenschaft“. Allerdings stehen nicht alle knapp 700 Einwohnerinnen und Einwohner des Euerbacher Gemeindeteils hinter den Passionsspielen: 2021 wurde die erste Klage gegen die Nutzung des Geländes eingereicht, mittlerweile gibt es eine zweite. „Das hat alles mit der ursprünglichen christlichen Idee nichts mehr zu tun“, sagt Anwohner Klaus Markert. Der 64-Jährige ist in Sömmersdorf aufgewachsen, stand als Kind und Jugendlicher selbst auf der Bühne, half bis in die 1990er Jahre mit.

Wie viele Anwohner genau klagen, sagt Markert nicht. Es werde zu viel spekuliert, die Kläger würden auch beschimpft, selbst Sachbeschädigungen habe es gegeben. Seine Einstellung sei gekippt, als zwischen den Passionsspielen „Don Camillo“ und andere Stücke gespielt wurden. Zudem sei technisch immer mehr aufgerüstet worden: Früher hätten einzelne Mikrofone vor der Bühne gestanden, mittlerweile habe jede Hauptrolle ein Mikrofon.

Bis in die 1990er Jahre waren die Aufführungen nachmittags. „Bis 18 Uhr war alles vorbei“, erinnert sich Markert. Mittlerweile gebe es Abendveranstaltungen mit Bewirtung bis zwei oder drei Uhr nachts. „Das hat Volksfestcharakter.“ Bis zu 84 Veranstaltungen gebe es pro Jahr im Umfeld des Passionsspielgeländes. Und die teure Überdachung verstärke den Schall in Richtung Wohngebiet. Die meisten Kläger hätten vorgeschlagen, dass es alle fünf Jahre Passionsspiele samt der notwendigen Proben geben soll, aber in den Jahren dazwischen Ruhe herrscht. Darauf seien weder Verein noch Gemeinde eingegangen, ein Mediationsverfahren sei gescheitert: „Jetzt müssen wir abwarten, was das Gericht sagt.“

Mergenthal dagegen fühlt sich der Tradition verpflichtet: „Meine beiden Großväter haben das in den 1930er Jahren mit aufgebaut.“ Er könne sich nicht vorstellen, dass das Verwaltungsgericht die Bescheide kippt und damit die Passionsspiele als immaterielles Kulturerbe verbietet. Weitere Veranstaltungen seien zudem notwendig, um die Technik zu finanzieren. Zum Glück würden sich die Mitwirkenden die Freude nicht nehmen lassen: „Der Zusammenhalt ist in diesem Jahr noch stärker geworden.“

Weitere Bilder

Die Rolle der Maria Magdalena teilen sich Franziska Fasel (27) und Maria Selzam (36). Für beide ist es die erste Sprechrolle bei Passionsspielen. Beide sind nicht in Sömmersdorf aufgewachsen. Fasels Mutter stammt aus dem Ort. Maria Selzam hat hierher geheiratet und sagt: „Der Passionsspielverein ist das Herz des ganzen Dorfes.“ Er schweiße die Menschen zusammen und sei positiv für viele Einrichtungen wie den örtlichen Kindergarten. „Ich bin sehr dankbar, dass ich Teil dieser Gemeinschaft sein darf“, sagt Fasel. Froh sind beide über die neue Ausrichtung ihrer gemeinsamen Rolle: „Früher war Maria Magdalena sehr weinerlich, in diesem Jahr wird sie als Kraftquelle für Jesus und Teil der Gemeinschaft dargestellt.“ Deshalb seien sie bei den Aufführungen auch fast durchgehend auf der Bühne: „Wir müssen stark sein für Jesus und sein Leiden mit ihm tragen.“

Frank Greubel stand 1978 als Kind zum ersten Mal auf der Freilichtbühne seines Heimatortes Sömmersdorf. Mittlerweile ist er zwar nach Waldbrunn nahe Würzburg gezogen, für die Proben der Passionsspiele kommt er trotzdem jedes zweite Wochenende in die alte Heimat. „Wenn es die Passion nicht gäbe, wäre mein Leben ganz anders verlaufen“, ist sich der 52-Jährige sicher. Als er an der Hand seiner Oma zum ersten Mal auf der Bühne stand, sei er begeistert gewesen, wie viele Menschen sich die Leidensgeschichte Jesu anschauen. Das habe ihn geprägt, deshalb sei er beim katholischen Landvolk aktiv gewesen, habe Zivildienst geleistet und entschied sich schließlich, als Gemeindereferent bei der Kirche zu arbeiten. Die Bühnenerfahrung und das freie Sprechen seien eine gute Schule fürs Leben.

Als Kind stand Michael Garbe (42) selbst auf der Bühne, jetzt ist der gelernte Parkettleger für die Kulissen zuständig. „Viele Helfer nehmen ihren kompletten Jahresurlaub für die Passionsspiele“, berichtet der Handwerker. Auch privat bedeute die Arbeit Einschränkungen: „In einem Passionsjahr bleibt daheim fast alles liegen“, sagt Garbe. Aktuell laufe der Bühnenbau, während der Aufführungen werde im Hintergrund umgebaut.

raru (Würzburger katholisches Sonntagsblatt)

 

(1724/0447; E-Mail voraus)

Hinweis für Redaktionen: Fotos abrufbar im Internet