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Reportage

„In einer ganz anderen Zeit“

Kerzenherstellung nach alter Tradition in der Wachswarenfabrik Theodor Schenk – „Kerzen für den lieben Gott“ – Besuch vor Mariä Lichtmess

Würzburg (POW) Ein lautes Knirschen erfüllt den Raum im Hinterhaus in der Rosengasse 14 in Würzburg. Ein Geräusch, als würde Blech gepresst werden. „Eins“, zählt Wachsziehermeister Martin Schenk (55). Dann rollt in der über 270 Jahre alten Fabrik der erste Wachsstrang in die Holzkiste. „Zwei“, die Maschine schneidet den nächsten Strang ab. In der Wachswarenfabrik Schenk herrscht kurz vor Mariä Lichtmess Hochbetrieb. Traditionell wollen viele Kirchen und Gemeinden zur Segnung am 2. Februar ihren Jahreskerzenbestand bestellen – manchmal kurzfristig und mit Sonderwünschen.

Wachsbecken, Zugmaschine, hängende Kerzen und Lager voller Wachswaren: Das ist die Traditionsfabrik Schenk im Herzen Würzburgs. 1750 gegründet, leitet Martin Schenk sie mittlerweile in der neunten Generation – gemeinsam mit seiner Mutter Theresia Schenk und Schwester Michaela Kraft, geborene Schenk. In dem alten Gemäuer, in dem es nach warmem Wachs riecht, werden die Kerzen für den eigenen Laden und Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz noch gezogen, nicht gepresst.

Auf einer großen Walze, der Zugtrommel, wird der Docht aufgewickelt und immer wieder durch das 60 bis 80 Grad heiße Wachs gezogen. Die Wachsstruktur, die so entsteht, hat den Vorteil, dass die Kerzen schöner abbrennen und stabiler sind, erklärt Schenk in seinem karierten Arbeitshemd mit Wachsresten auf den Brusttaschen. Es sei „im Verhältnis viel Arbeit für wenig Kerzen“, aber eben das „Beste für den Herrgott“. Während Martin Schenk in der Fabrik für das Ziehen der Kerzen zuständig ist, verzieren Theresia Schenk und Michaela Kraft als Wachsbildnermeisterinnen unter anderem Tauf-, Braut- und Kommunionkerzen mit Ornamenten, ausgeschnittenen Wachsformen und gelegter Wachsdeko. Auch Schenks Cousine und Tante, die im Laden in der Innenstadt arbeiten, sowie etwa sieben weitere Mitarbeitende zählen zum Unternehmen.

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In der Zieherei ist es gerade wohlig warm. Der Kompressor der Zugtrommel brummt, als Schenk ihn ausschaltet, die Leuchtstoffröhren surren. Mit beiden Armen tragen drei Mitarbeiterinnen Kerzenstränge herein und zur Köpfel-Maschine. Fein säuberlich werden sie ausgelegt, hier ist Sorgfalt angesagt. Köpfelt („Anspitzen“ der Kerze) Schenk sie falschherum, bildet der Docht beim Anbrennen später Rußklumpen. Auch bei den Maßen achtet Schenk auf Genauigkeit. Schon sein Vater und Vorgänger Ludwig Schenk habe nach dem Motto gearbeitet: „Maß und Gewicht kommt vor Gottes Gericht.“

Wie ein eingespieltes Uhrwerk laufen die Mitarbeiterinnen hin und her. Dabei sind manche von ihnen erst seit ein paar Monaten hier oder machen gerade ein Praktikum. Doch spätestens im Januar lernen sie schnell, wo welcher Handgriff sitzen muss: Kerzen tragen, kurzer Stau in der schmalen Tür zum nächsten Werkstattraum, sortieren, ein kurzer Plausch, anspitzen, wieder auslegen und zum Aufhängen vorbereiten. „Jeder Platz muss ausgenutzt werden bei Mariä Lichtmess“, sagt Nina Schmiderer (40) mit sechs Altarkerzen auf dem Arm. Seit acht Monaten bereitet sich die Fabrik auf die Hochsaison im Januar vor. „Alles aus dem Nichts zu produzieren, das ist nicht möglich“, erzählt Schenk. Ab dem 6. Januar trudeln hier langsam die ersten Großaufträge ein. Manche müssen, wie die Kerzen auf Schmiderers Arm, in die Schweiz verschickt werden. Manche werden von den Schenks selbst ausgefahren – bis zum Boden- und Chiemsee gehen diese Touren. Und manch ein Kunde lässt sich Zeit, auch das muss mit einkalkuliert werden. So nutzt der Wachszieher seit Mai jede Auftragspause, um die Lager zu füllen.

Auftragspausen? Die gibt es und sie werden mehr. Der Priestermangel und Rückgang der Kirchgänger machen sich auch in der Kerzenzieherei bemerkbar, sagt Schenk. „Wo kein Gottesdienst mehr ist, da brennt auch keine Kerze mehr. Wo keine Maiandacht ist, da brennt auch keine Marienkerze.“ In manchen Gemeinden reiche die Marienkerze mittlerweile drei Jahre lang. Und mit dem Rückgang der Nachfrage steigt die Konkurrenz um die noch vorhandenen Kerzenaufträge. „Ich habe da schon wirklich ein wenig Bauchweh“, gesteht Schenk. Doch gerade kommt er lachend vom Telefon zurück. Ein Anruf. Ein neuer Kunde. Auch diese Momente gibt es noch.

Solange die Arbeit für seine Mitarbeitenden reicht, will Schenk bei der Kerzenproduktion für die Kirchen bleiben. Ist es sein Glaube? Die über 270-jährige Tradition? Vermutlich von allem ein bisschen. Und Kerzen ziehen allgemein? „Für mich war es eigentlich nie eine Frage, dass ich mal was anderes mache“, sagt Schenk, der seit 40 Jahren in der Firma mithilft. In den Jugendjahren waren es noch vereinzelte Aushilfsstunden, doch mit 15 Jahren stieg er mit der Lehre komplett in das Handwerk und den Betrieb seiner Familie ein. Seit zehn Jahren leitet er den Betrieb nun, geht seitdem abends gerne durch die Fabrik und sieht, was den Tag über alles geschafft wurde. „Das ist ein schönes Gefühl“, sagt Schenk.

So ist es auch keine Frage, dass er nun in der Hochphase bereits zwischen vier und fünf Uhr morgens an der Zugmaschine steht – damit zu Betriebsbeginn um acht Uhr geschnitten und geköpfelt und am Nachmittag hauptsächlich übertaucht (Überzug der Kerze mit härterem Wachs, damit sie nicht tropft), gebohrt und verpackt werden kann.

Beim Übertauchen landen nun auch die Kerzen für die Schweiz. An Metallhaken werden sie im Vorraum am Tauchapparat befestigt, um später in das härtere Wachs getaucht zu werden. Eine Anfertigung, die auf den ersten Blick der Schokoladenfabrik von Willy Wonka entspringen könnte. Katja Oberle (23), die im Vorraum Kerzen im Dreierpack verpackt, fühlt sich in der Fabrik jedenfalls wie in einer anderen Welt. Allein das alte Gebäude fasziniere sie. Sie habe vor ihrem Arbeitsbeginn vor ein paar Monaten gar nicht gewusst, wie Kerzen gemacht werden. Nicht nur ihr geht es so. Auch ihre Kollegin Kerstin Haberlandt-Voltz (60) sagt: „Man kommt zum Tor rein und denkt: Ich bin irgendwie in einer ganz anderen Zeit. Aber das ist das Tolle dran.“

Und damit verschwinden drei weitere elfenbeinfarbene Kerzen unter dem Papier. Klappen, kleben, falten, Stempel drauf, Logo anbringen und fertig. Am Samstag oder Sonntag werden die Schenks sie ausfahren, damit die Altarkerzen am 2. Februar zu Mariä Lichtmess geweiht werden können.

chd (POW)

(0424/0086; E-Mail voraus)

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